Autorin: Sabine Hombach
Das Arbeiten im Homeoffice könnte so schön sein. Es ist ruhig, die Technik funktioniert, kein Kollege kommt rein und will „nur kurz was fragen“, es gibt keine ausufernden Meetings. Man arbeitet diszipliniert und ist begeistert von der eigenen Effizienz. Dann kriechen am späten Vormittag zwei Teenager aus ihren Höhlen.
Am späten Vormittag tauchen zwei schlaftrunkene Pubertiere, 16 und 13 Lenze jung, wortlos am Esstisch auf. Sie wollen eine Schüssel mit Müsli füllen und wieder in ihre Höhlen verschwinden. Dann, ohne Vorwarnung, bricht es entnervt aus einem von ihnen heraus: „OMG, die Frau XY hat schon wieder eine Mail mit Aufgaben geschickt. Und die sollen wir auch noch bis übermorgen, 13 Uhr, einreichen!“ „Ja, das Leben ist kein Kindergeburtstag!“, antwortet die am gleichen Tisch vor dem Rechner sitzende Erziehungsberechtigte und erntet dafür vernichtende Blicke vom ungekämmten Nachwuchs. Das ist aber auch gemein: Da hat man schon „Corona-Ferien“ und muss trotzdem jeden Tag Aufgaben für die Schule erledigen. Und dann will auch noch jeder Lehrer etwas anderes. Der eine möchte ein Word-Dokument per E-Mail zugeschickt bekommen, der zweite auf einer Lernplattform ausgefüllte Lückentexte, der dritte auf einer anderen Plattform ausgefüllte Matheaufgaben, der vierte Screenshots, der Musiklehrer schickt eine Excel-Tabelle zum Ausfüllen des „Übeplans“. Nur der sechste will leider gar nichts. Das ist der Sportlehrer.
Wenn nur die Uhr smart ist
Warum schickt der Sportlehrer keine Aufgaben? Zum Beispiel eine Joggingrunde, eine Fahrradtour von mindestens 20 Kilometern, 30 Liegestütze auf dem Teppich? Wozu besitzt der pubertierende Nachwuchs denn diese Smart watch? Der Lehrer könnte sich doch die geleisteten Aktivitäten schicken lassen! Aber nein, die Uhr dient hauptsächlich dazu - auch beim Essen, wenn das Handy außer Reichweite abgelegt werden muss - , eingehende Messenger-Nachrichten aus dem Klassenchat zu lesen.
Sport ist kein Mord
Das Problem des Bewegungsmangels in Zeiten von "Home schooling" und auch das der sinnvollen Beschäftigung abseits vom Erledigen der Hausaufgaben muss also vom Erziehungsberechtigten gelöst werden. Zur Abhilfe für ersteres schlägt man einen gemeinsamen Abendspaziergang vor. Zwecks Durchsetzung des von langer Hand geplanten Vorhabens („Bevor wir gehen, musst du aber noch duschen und dich anziehen!“- Antwort: „Wieso? Ich habe doch erst vorgestern geduscht.“) droht man mit sofortiger Enterbung oder – noch schlimmer – mit dem Ausstellen des WLAN-Routers. Und so dreht man mehr oder weniger gemeinsam eine Runde durch den Park, die Pubertiere preschen vor, damit sie schneller wieder Zuhause sind. Immerhin unterhalten sie sich miteinander und haben die Idee mit der Fitness App. Von nun an absolvieren die Sprösslinge auf dem Wohnzimmerteppich täglich mehrere Work-outs. Muss wohl am „Drill instructor“ liegen, der so ähnlich brüllt wie dieser australische Kleiderschrank auf zwei Beinen, der den Z-Promis vor dem Betreten des Dschungelcamps befiehlt, sich schneller die Camp-Uniform anzuziehen.
24/7 @home: Es gibt viel zu tun!
Doch der Tag hat 24 Stunden. Abseits von Schlafen, Aufgaben für die Schule erledigen, Musikinstrument üben, Fitness und knapp geschätzten sechs Stunden an mobilen Endgeräten bleiben noch einige Stunden übrig, die es mehr oder weniger sinnvoll zu füllen gilt. Wie wäre es mit dem Ausmisten der Kinderzimmer, im Stile des Trash-TV-Formats „Raus aus dem Messie-Chaos“? Plötzlich findet sich ein lange vermisstes Zeugnis aus der 3. Klasse und ein Pokal vom Bambini-Turnier des Tennisvereins. Die Pubertiere niesen und bekommen Asthma. Nein, kein Corona! Nur Hausstaub. Nach der Aufräumaktion erstrahlen die Zimmer in neuem Glanz.
Als weitere sinnvolle Beschäftigung bietet es sich an, den Nachwuchs das Essen zubereiten zu lassen. Die Eltern müssen schließlich arbeiten. Die plumpe Aufforderung hilft leider nicht. Ganz anders motiviert sind Teenager jedoch, wenn sie eigene Rezepte im Internet aussuchen können. Oder noch besser: ein Lieferdienst stellt komplette Zutaten und Rezepte mit Schritt-für-Schritt-Anleitung vor die Tür. Das spart zwar nicht unbedingt Geld, dafür aber Supermarktbesuche. Und auf die ewig gleiche Frage „Was gibt es heute zu essen?“, gibt es neue Antworten. Gerichte abseits von Nudeln mit Soße, Suppe oder Pfannkuchen finden den Weg auf den Gaumen des Pubertiers. Plötzlich sprießen neue Geschmacksknospen. „Boah, dieses Porree-Rahm-Gemüse schmeckt voll lecker!“ Ach was.
Bald fangen die Osterferien an. Ohne Schule und ohne Verreisen haben die Pubertiere dann noch mehr Zeit, sich mehr oder weniger sinnvoll zu beschäftigen. Dann leihe ich beim Nachbarn einen Hochdruckreiniger aus. Vor lauter Moos sieht man fast keine Steine mehr auf der Terrasse. Und anschließend müssen die Fenster geputzt werden - von mir aus auch gegen einen Taschengeldaufschlag. Ein kleines Opfer für einen großen Plan.
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